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Gewaltprävention muss auf mehreren Ebenen greifen!

Gewaltprävention muss auf mehreren Ebenen greifen!

Das Thema der aktuellen Stunde des Februar-Landtages "Gewaltprävention in Tirol – Den Teufelskreis durchbrechen: Jede fünfte Familie mit Gewalterfahrung" nutzte vorwärts Tirol Landtagsabgeordnete Maria Zwölfer um auf die Verantwortung der Eltern und Schulen bei der Gewaltprävention gegen Kinder und Jugendliche hinzuweisen.

Hier ihre Rede im Landtag zum Nachlesen:

Als Lehrerin ist mir beim Lesen des heutigen Themas der Aktuellen Stunde als erstes ein Zitat der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren eingefallen:

„Man kann in Kinder nichts hineinprügeln, aber vieles herausstreicheln.“

Nachdem ich nicht von mir behaupte, auf allen Gebieten der Gewaltprävention eine ausgewiesene Expertin zu sein, erscheint es mir als Mutter und Pädagogin sinnvoll, in meiner heutigen Rede besonders auf die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche einzugehen und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man dieser entgegenwirken kann: Leider ist Gewalt gegen Kinder ein Thema, das auch im noch jungen Jahr 2015 nichts an Aktualität verloren hat. Erst im vergangenen November erschien in der Tageszeitung „Die Presse“ ein Artikel, in dem der Autor ein gewisses Maß an Gewalt als Form der Kindererziehung befürwortete, ja sogar die totale Gewaltfreiheit in der Erziehung als einen „infantil-romantischen, militant-pazifistischen Irrglauben“ bezeichnete.

Damit ist der Journalist nicht alleine - 33 Prozent der Erziehungsberechtigten in Österreich haben laut eigener Angaben kein Problem damit, im Bedarfsfall mehr oder weniger fest zuzuschlagen. Die „gsunde Watschn“ wird immer noch von vielen als „ultima ratio“ in der Erziehung gebilligt und leider auch ausgeteilt – mit langfristigen Folgen für das betroffene Kind und damit auch für die Gesamtgesellschaft.

Gerade Gewalterfahrungen in der Kindheit haben nämlich häufig langwierige negative Auswirkungen. „Gsund“ ist es also ganz und gar nicht, wenn man Kindern Gewalt antut! 

Um so vielen Kindern wie möglich ein solches Schicksal zu ersparen, muss die Politik tätig werden – einerseits in der Prävention, ABER auch durch ein entsprechendes Angebot für Opfer von Gewalt:

Einerseits muss man den Fokus meiner Meinung nach auf die Bildung der Eltern legen. Als Erziehungsberechtigte müssen sie ab der Geburt des Kindes für dessen Wohl die Verantwortung übernehmen. Begleitend trägt der Staat in Form des Mutter-Kind-Passes schon jetzt zur Gesundheitsvorsorge der Kinder bis zum 5. Lebensjahr bei. Bei diesen verpflichtenden Untersuchungen geht es allerdings nur um medizinische Aspekte - Vernachlässigung, Überforderung und damit einhergehend Gewalt werden durch den Mutter-Kind-Pass nicht erhoben bzw. wahrscheinlich nur in Härtefällen entdeckt. Auch steht keine psychologische Betreuung für Kinder und ihre Eltern zur Verfügung. Deshalb erscheint es mir im Sinne der Gewaltprävention sinnvoll, das Konzept des Mutter-Kind-Passes zu ergänzen bzw. zu erweitern. Einerseits müssen die Eltern im Zuge des Passes ausreichend über verschiedenste kostenlose Informationsstellen und Betreuungsangebote informiert werden, an die sie sich bei familiären Problemen wenden können.

Andererseits könnte man dem Mutter-Kind-Pass ab dem fünften bis zum 14. Lebensjahr einen sogenannten Eltern-Kind-Pass zur Seite stellen. Dieser Eltern-Kind-Pass sollte im Unterschied zum Mutter-Kind-Pass nicht an Unterstützungen wie das Kinderbetreuungsgeld gebunden, sondern ein Ausbildungsnetzwerk für Eltern sein. Zusätzlich könnten bereits bestehende Familienberatungseinrichtungen um ein multiprofessionelles Team erfahrener Ärzte, Psychotherapeuten, Psychologen und Pädagogen erweitert werden. Neben der Weiterbildung in Erziehungs- und Betreuungsfragen des eigenen Kindes wären Eltern so in ein soziales Netzwerk eingebunden, das widrige familiäre Umstände und Risiken frühzeitig erkennen kann.  

Den Aufbau eines tragfähigen sozialen Netzwerkes für Familien halte ich für besonders wichtig. Im Zuge meiner Recherche für diese Rede habe ich nämlich kurzerhand zum Hörer gegriffen und bei der für meinen Bezirk zuständigen Beratungsstelle angerufen. Auf meine Frage, welche raschen Unterbringungsmöglichkeiten es für eine Mutter und ihr Kind, die beide Opfer von Gewalt geworden sind, in meiner Nähe gibt, konnte man mir außer dem Mutter-Kind-Haus in Innsbruck, beziehungsweise dem SOS-Kinderdorf in Imst kein konkretes Betreuungsangebot nennen. Ja soll denn eine Mutter in Not, die vielleicht noch auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, aus Lermoos nach Innsbruck fahren müssen, um in einer Krisensituation unterzukommen? Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass ich die entsprechende Auskunft erst nach mehrmaligem Weiterverbinden in verschiedene Abteilungen in der BH erhalten habe – und dies selbstverständlich während der Bürozeiten. Nur: Gewaltexzesse halten sich bekanntlich nicht an fixe Zeiten! Entsprechende Einrichtungen, die in Krisensituationen sofort und unbürokratisch Hilfe anbieten können, sind auch für die peripheren Bereiche unseres Landes ein Gebot der Stunde! 

Eine große Verantwortung dafür, Gewalt zu verhindern, tragen neben den Eltern aber auch die Schulen: Kinder und Jugendliche sollen in Schulen so gefördert und unterstützt werden, dass sie Selbstvertrauen und Selbstreflexion erwerben, um für individuelle, aber auch gesellschaftliche Veränderungen als Herausforderung gewappnet zu sein. Auch der Umgang mit Gewalt und konstruktive Konfliktlösungsansätze können gelernt werden! Gerade in Zeiten, in denen Kinder und Jugendliche in verschiedensten Medien tagtäglich mit Gewalt konfrontiert werden, können Lehrpersonen viel dazu beitragen, dass ihre Schüler für dieses Thema sensibilisiert und nicht abgestumpft werden. Je früher ein Kind lernt, dass Gewalt in allen ihren Facetten abzulehnen ist, desto eher wird es zu einem mutigen Mitglied unserer Gesellschaft, das anderen hilft und für sie eintritt, wenn sie Opfer von Gewalt werden. Es darf uns, lieben KollegInnen, keine Anstrengung zu groß sein, um die Gewaltprävention voranzutreiben – denn Gewalt zerstört jedes gedeihliche Miteinander in der Gesellschaft! Durch eine Verflechtung der Elternbildung, Präventionsmaßnahmen in der Schule und die Stärkung der zuständigen Stellen des Landes muss es uns gelingen, dass, um noch einmal mit Astrid Lindgren zu sprechen, in Zukunft nichts in Kinder hineingeprügelt wird – und dafür vielmehr liebevoll herausgestreichelt!

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